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Popov, Alexander S.


Alexander S. Popov
*16. März 1859 in Turjinskije Rudniki; † 31. Dezember 1905

Popov–System
Heinrich Deisl
Alexander Stepanovich Popov:

Alexander Stepanovich Popov war wahrscheinlich eine jener Personen, die man heutzutage ironisierend »Nerd« nennt. Der Erfinder des ersten Modells zur drahtlosen Übertragung von elektromagnetischen Wellen, später Radio genannt, galt Zeit seines Lebens als scheu, intellektuell und strikt. Ein Wissenschafter durch und durch. Der 1859 in Bogoslowsk (Ural) geborene Sohn eines russisch-orthodoxen Priesters wuchs auf einem Landhof mit seinen sechs Geschwistern auf und hatte sich im Theologischen Seminar in Perm eingeschrieben, bevor er an die Fakultät für Physik und Mathematik an der Universität St. Petersburg wechselte. Dort graduierte der 1882 und stieg in die akademische Forschung und Lehre ein. Weil die Entlohnungen für ihn und seine neu gegründete Familie nicht reichten, wechselte er auf die Fakultät der Marineoffiziere. Praktisch bis an sein Lebensende sollte er über direkte und indirekte Wege mit der Marine verbunden bleiben.

Zeit seines Lebens arbeitete Popov an der Verlängerung der Funkübertragung. 1897 gelang ihm, unterstützt vom Marineministerium, eine Reichweite von 5km, um 1900 betrug sie mehr als 100km. Die Marine hatte schon früh den praktischen Nutzen seiner Signalübertragung erkannt: Zum Ende des 19. Jahrhunderts wurden sämtliche Kriegsschiffe damit ausgerüstet, bis zum 1. Weltkrieg hatte sich die Radio-Technologie zum Standard entwickelt. Popov war auch an der Entwicklung der Radartechnik und Funkpeilung beteiligt, da man entdeckt hatte, dass sich die Radiowellen an Gegenständen reflektierten. Schließlich entwickelte Popov in den frühen 1900er Jahren mehrere Verfahren, wie Radiowellen in Schallsignale umgewandelt werden konnten. In seinen letzten Jahren war Popov Direktor des Petersburger Elektrotechnischen Instituts.

Das öffentlichkeitsscheue Gemüt Popovs trug wohl maßgeblich dazu bei, dass in der allgemeinen Meinung die Erfindung des Radios dem aus Bologna stammenden Guglielmo Marconi angerechnet wird. Indes war es Popov gewesen, der am 7. Mai 1895 bei einem Vortrag für die Russische Gesellschaft für Physik und Chemie seine Entdeckungen dargelegt hatte: Dieses Datum gilt als »Geburtstag« der drahtlosen Signalübertragung. Mit diesem Prototypen konnten Signale über mehr als 60 Meter nicht nur gesendet, sondern auch empfangen werden. Einer Mär zufolge – man denke an Edisons bekanntes »Hello« beim Phonographen – waren die ersten Worte, die von Popov durch den Äther geschickt wurden, »Heinrich Hertz«. Was beredte Rückschlüsse auf seine wissenschaftlichen Referenzen zulässt. Popov verteidigte seine Erfindung in zahlreichen nationalen und internationalen Magazinen, blieb dabei aber wohl auf den akademischen Kreis beschränkt. Der Ost-West-Konflikt in der Zeit des Kalten Kriegs trug weiterhin dazu bei, Popovs rechtmäßige Urheberschaft im Westen zu ignorieren und nach wie vor setzt sich seine Reputation nur schrittweise durch. Ganz anders die Rezeption in Russland: Nach seinem Tod 1906 wurde ihm zu Ehren in St. Petersburg eine überlebensgroße Bronzestatue errichtet und das dortige, 1872 gegründete Zentrale Museum für Kommunikation wurde später nach ihm benannt; immerhin eines der größten und ältesten Technisch-Wissenschaftlichen Museen der Welt. 1949 erschien der von der Lenfilm produzierte, doch etwas propagandistisch angehauchte, biografische Spielfilm »Alexander Popov«. Anders als im Film dargestellt, gilt es als unwahrscheinlich, dass sich der Russe und der Italiener persönlich kannten.

 
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