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Hönig-Synthesizer



Seppo Gründler
Eine Hardware als Institutsgeschichte

Noch in den 1990er Jahren beeindruckte ein Gerät von der Größe eines Schlafzimmerschranks die Studierenden und Besucher des Instituts für Elektronische Musik der Musikhochschule Graz. Zuallererst fiel das Fehlen einer Tastatur, eine Unzahl von Knöpfen, Patchbays und eine große Steckmatrix auf. Nach dem Einschalten des Gerätes hörte man, „dass man nichts hört“, wie Heinz Hönig (*1929) gerne sagte. Der früher zur Steuerung dienende SYM-Mikrocomputer war zu dieser Zeit nicht mehr in Betrieb. Der „Hönig“, wie er liebevoll genannt wurde, diente damals im Lehrstudio hauptsächlich und gerne zur Demonstration von grundlegenden Synthesetechniken und -prinzipien. Die in den Studios vorhandenen digitalen Synthesizer verbargen hinter hexadezimalen Displays und Increment-Decrement-Tasten vor den Benutzern ihre Algorithmen und Mechanismen.

Hönig-Synthesizer: Analog/Digital-converter. around 1970Das Grazer Institut für Elektronische Musik wurde 1965 gegründet. Die Anschaffung kommerzieller Synthesizer war jenseits des finanziellen Horizonts, es wurde mit Bandcuttertechnik und Eigenentwicklungen begonnen. Oszillatoren, Hüllkurvengeneratoren, Ringmodulatoren und ein Minisequenzer wurden entwickelt und gebaut. 1973 folgte der Aufbau eines mit acht spannungsgesteuerten Oszillatoren ausgestatteter Synthesizer. Die vorhandenen Hüllkurvengeneratoren wurden übernommen, Filter und Impulsgeneratoren hinzugefügt. Laut Berichten von Institutsmitarbeitern wurden alle finanziellen Möglichkeiten ausgeschöpft, um den Ausbau voranzutreiben. Budgetposten wie Lehrmittelbedarf halfen beim Kauf von Kleinteilen, Kondensatoren, Widerständen etc. Zu dieser Zeit war der Einsatz von Elektronik nicht unumstritten, zudem war der Synthesizer durch das Fehlen einer Tastatur im herkömmlichen Sinne nicht spielbar, sondern konsequent auf wissenschaftliches und konzeptionelles Arbeiten ausgelegt. Durch die Verwendung von Low Frequency Oszillatoren, die Klangverläufe bis über 16 Minuten ermöglichten, wurde erstmals Digitaltechnik eingesetzt.

Special etched cardAb 1977 wurde digitale Steuertechnik weiter implementiert, ein Mikrocomputer mit Digital-Analog-Wandlern erzeugte Steuerspannungen (MIDI war ja noch nicht einmal erfunden). Helmuth Dencker, ein am Institut beschäftigter programmierfreudiger Komponist, schuf mit dem EMC-Compiler eine Software, die die Eingabe verschiedener Regelwerke ermöglichte. Verläufe, Loops, Transpositionen etc. mussten nicht mehr Note für Note eingegeben werden, sondern konnten als konzeptionelle Bausteine in der Komposition verwendet werden. Um die Details kümmerte sich der Computer bzw. das Programm.

Langsam wurden kommerziell erhältliche Synthesizer billiger und besser – und damit auch für den akademischen Lehrbetrieb akzeptabler. 1985 waren dann Aufnahme- und Lehrstudio „midifiziert“ und mit modernen digitalen Synthesizern ausgestattet. Ausgehend von der Bandcuttertechnik und der Synthese mit Oszillatoren und Ringmodulatoren über die spannungsgesteuerten Synthese entwickelte sich der Hönig zum computergesteuerten Analogsynthesizer. Durch das Recycling wiederverwendbarer Module und Bauteile und den stetigen Ausbau wurde das Gerät in Hardware gegossene Geschichte des Instituts. Daneben entwickelten sich MIDI und digitale, kommerzielle Synthesizer. Industrielle Erzeugung und Massenverbreitung ließen die Preise fallen – ein bis heute ob seiner Grobschlächtigkeit kritisiertes Steuersystem (MIDI) setzte sich als Beispiel für aktuelle Marktmechanismen durch. Nach der Übersiedlung des Instituts im September 2002 in neue Räumlichkeiten wurde der Analogsynthesizer nicht mehr in Betrieb genommen.

 
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