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Ondes Martenot



Peter Donhauser
Wellen am Schnürchen

Der französische Musikpädagoge und Radioamateur Maurice Martenot (1898–1980) wurde zur Konstruktion seines ursprünglich „Ondes Musicales“ genannten Instruments durch ein Treffen mit Lew S. Termen, dem Erfinder des Theremins, im Jahre 1923 angeregt. Die technischen Kenntnisse hatte sich Martenot während des Ersten Weltkriegs angeeignet, wo er als Funker eingesetzt war.

Sein erstes Patent reichte Martenot am 2. April 1928 ein2. Es folgten zahlreiche weitere in Frankreich, Österreich, Deutschland und den USA bis in die 1950er Jahre, darunter auch solche für Verbesserung der Schallplattenwiedergabe. In den Patenten lassen sich die verschiedenen Varianten seiner Konstruktionen leicht verfolgen. Er musste (vergleichbar mit Termen) bei seinen Instrumenten Lautstärke- und Frequenzsteuerungen vorsehen. Ondes Martenot: ring and shrine, 1978Es begann mit einem Schnurzug, über den ein Drehwiderstand oder ein Kondensator verstellt werden konnte (an eine kapazitive Steuerung über die Annäherung der Hand ähnlich dem Theremin dachte er nicht). Da das Spiel ohne Anhaltspunkte schwierig ist, folgte eine Einstellhilfe in Form einer gezeichneten Klaviatur (ähnlich dem Hellertion von Bruno Helberger oder den Hilfstasten des Trautoniums), später eine „echte“ Klaviatur. Die stufenlose Tonhöhensteuerung wurde aber immer beibehalten: Über einen Ring wird ein Schnurzug vor den Tasten hin- und hergezogen. Durch die einfache Verstellbarkeit der Frequenz sind auch Mikrointervalle darstellbar. Nachdem zahlreiche Kompositionen für die Ondes Martenot existieren, wurde das Instrument bis in die 1980er Jahre von den Martenots gebaut.

Am 20. April 1928 wurde das Instrument erstmals in einer Aufführung des Poème Symphonique von Dimitrios Levidis unter René-Emmanuel Bâton an der Opéra de Paris öffentlich vorgestellt. Martenot spielte sein Instrument selbst u. a. auch bei der Aufführung der Poème mit dem Philadelphia Orchestra unter Leopold Stokowski im Dezember 1930 in den USA. Dies führte zu einer erstaunlichen „Welle“ an Kompositionen und zu einer formalisierten Ausbildung für das Instrument unter der Leitung von Martenot3. Es folgte eine weltweite Tournee bis 1932. Schon 1928 war er mit seiner Schwester nach Oslo gereist. Zwei Konzerte mit „Sphärenmusik“ sollten im Nationaltheaterstattfinden. Von den Osloer Zeitungen wurde viel berichtet. Der Aftenposten zur Folge musste sich der Zuschauer in den Arm kneifen, um sich zu vergewissern, dass er nicht träumte.4 Es handelte sich hierbei um die erste Begegnung mit einem elektrischen Musikinstrument in Norwegen. Die Reaktion der Presse war vorsichtig: „Es waren magische Klänge, nahezu luftig – sensible Geistertöne, die der sympathische Musikprofessor aus der kosmisch unergründlichen Bühnenluft des Theaters hervorzauberte … Mit der Zeit machte sich [aber] eine gewisse – vermutlich im Apparat selbst begründete – Monotonie bemerkbar. Und wenn man sich nicht bewusst wäre, dass all dies nur ein Anfang war, fern ab davon, voll durchgearbeitet und vollendet zu sein, hätte man sicher die musikalische Ausbeute dieser ersten Vorstellung als zu mager beurteilt.“5 Die wichtigste Interpretin auf dem Instrument wurde in den 1930er Jahren seine Schwester Ginette Martenot (1902–1996). Bei der Weltausstellung 1937 in Paris erhielt er den Grand Prix de l’Exposition Mondiale. Ab 1947 unterrichtete er das Ondes-Martenot-Spiel am Pariser Konservatorium.

Was die Ondes vor anderen Instrumenten dieser Zeit auszeichnet, ist das große Interesse bedeutender Komponisten für das Instrument, u. a. Darius Milhaud, Arthur Honegger, André Jolivet, Charles Koechlin und Edgard Varèse. In die Filmmusik hielt das Instrument Einzug durch Komponisten wie dem Franzosen Maurice Jarre, aber auch durch den Amerikaner Elmer Bernstein. Stellvertretend genannt sei Olivier Messiaen mit Fête des Belles Eaux für ein Ensemble von sechs Ondes Martenots, Trois petites liturgies de la Présence divine oder die Turangalila-Symphonie, alle vor 1948 komponiert.

Fußnoten


1 Französisch „Les Ondes Martenot“, also „Die Martenot-Wellen).

2 Patent FR 666807.

3 Thomas B. Holmes, Electronic and Experimental Music: Pioneers in Technology and Composition, New York 2002, S. 68.

4 Sfærenes musikk. Professor Martenot i Oslo, in: Aftenposten, 27. 9. 1928, S. 2.

5 Jens Arbo, Sfærisk musikk i Nationaltheatret, in: Morgenbladet, 29. 9. 1928, S. 4. Zitiert nach Frode Weium, Ingeniørmusikk – Møtet med elektroniske musikkinstrumenter i Norge, in: Tidsskrift for kulturforskning, 4/2006, Oslo 2007, S. 23–39.

 
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