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Subharchord II



Gerhard Steinke
Wie es zum Subharchord kam – Eine Erinnerung

Als ich ab 1947 beim Sender Dresden als Toningenieur arbeitete, hörte und fand ich in den Sendungen der angeschlossenen Sender Weimar und Leipzig sowie vor allem im Schallarchiv zahlreiche Tonbänder mit Oskar Salas Kompositionen für Trautonium – Musik, die schon meine Schulaufgaben per Radio begleitet hatte. Solche ungewöhnlichen Klänge wurden gern für eigene Beiträge, sogar für den „Reklamefunk“ genutzt. Aber den eigentlichen Anstoß gab der Dirigent Hermann Scherchen, mit dem ich im Februar 1949 im Dresdner Sendesaal (der ehemaligen Empfangshalle des Deutschen Hygiene-Museums!) Bachs Kunst der Fuge aufnehmen durfte. Die anregenden Gespräche mit dem Maestro zeigten, dass Scherchen ein alter „Rundfunkmann“ war, der um 1930 bereits mit Trautwein, Hindemith und Sala zusammengearbeitet hatte.

Subharchord II block wiring diagram, 1965Auf der Düsseldorfer Funkausstellung 1953 stand erstmalig eine elektronische Orgel (Polychord), die der begeisterte Berliner Chefingenieur des Rundfunks ankaufte, obwohl wir fehlende Einschwingvorgänge monierten und meinten, wir könnten das viel besser entwickeln. Gleichzeitig durften wir im Funkhaus Köln das erste Studio für elektronische Musik bewundern – mit einem neuen Trautonium von Trautwein: dem Monochord. Und im Instrumentenlager des Berliner Rundfunks fand ich 1955 die Reste eines von Sala im Auftrag des Rundfunks bereits 1948 begonnenen Quartett-Trautoniums, das nicht recht funktionierte; auch bei einem Besuch von Sala im Labor konnte das Instrument nicht „erweckt“ werden. Aber wir waren nun mehr als nur neugierig und erklärten Sala: Wir werden selbst ein eigenes und viel moderneres Gerät entwickeln … Sala lachte herzlich, klopfte mir bedauernd auf die Schulter, gab weiter Konzerte und produzierte Filmmusik mit seinem Mixturtrautonium.

Doch es gelang, unseren Chefingenieur zu begeistern, 1956 ein Labor für Akustisch-Musikalische Grenzgebiete zu gründen sowie den findigen Fernsehingenieur und Orgelliebhaber Ernst Schreiber zu gewinnen. Im April 1959 begann die Entwicklung. Beinah wäre sie gescheitert, da aus dem Ministerium für Kultur der Vorwurf kam, subharmonische Klänge seien eine musikalische Fiktion, denn in der Natur kämen Untertöne schließlich nicht vor … Wir konnten aber ihre Realität nachweisen und Sägezahnklänge in viele Teilschwingungen unterteilen – danach durften wir starten. Die geplante Orgelentwicklung wurde jedoch untersagt, zumal Dessau bei einem meiner Vorträge in der Akademie der Künste über die vorgeführte Polychord-Elektronenorgel gelästert hatte, dass solche schwülstigen Klänge mit starkem Vibrato eher in ein Bordell gehörten, hingegen Trautoniumklänge die Kreativität des Komponisten fördern könnten. Der argwöhnische Ministeriumsvertreter verschwand bald in Richtung Westen – aber im Labor ging es munter vorwärts.

1961 war ein erstes Subharchord fertig, das sofort den Komponisten Addy Kurth vom Trickfilm und auch andere vom Rundfunk und Fernsehen begeisterte. Nun konnten wir in einem Laborstudio Mixtur-Kompositionen produzieren, die Weiterentwicklung forcieren und später eine Serienfertigung beginnen. Der erste mit einem Subharchord begleitete Puppentrickfilm Der Wettlauf wurde ein großartiger Erfolg. Der Kontakt mit Scherchen blieb über die Jahre bestehen, und am 9. Juli 1961 – kurz vor dem unvermuteten Bau der Berliner Mauer – trafen Dessau, der unsere Entwicklung stets unterstützt hatte, Scherchen und ich im Westberliner Hotel Kempinski zusammen, um uns über den Prototyp zu unterhalten – Dessau blieb allerdings kritisch, weil immer noch ein zweites Manual fehlte, was er ständig forderte.

Entwicklung und Serienfertigung sowie parallel dazu zahlreiche Produktionen im Laborstudio führten zum Subharchord II – bis 1969. Unglücklicherweise hatte Chruschtschow die elektronische Musik als „Kakophonie“ verteufelt, sie passte nicht zum „Sozialistischen Realismus“, sodass das Studio und die weiteren Forschungen eingestellt werden mussten. Doch einige Instrumente überlebten, zwei wurden 2005 und 2007 rekonstruiert. Künstler erfinden nun Neues damit.

 
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