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Volkstrautonium



Peter Donhauser
KlarinettenBassgeigenTrompete im Holzkoffer

Der Rundfunktechniker Friedrich Trautwein entwickelte 1929/30 an der Rundfunkversuchsstelle der Berliner Hochschule der Künste ein neues elektronisches Musikinstrument, in dem er eigene Ideen, die er schon Jahre vorher hatte patentieren lassen, mit Ideen anderer kombinierte (die Vorlage für das Manual taucht schon früher bei Bruno Helberger in Frankfurt auf). Er nannte es nach seinem Namen: Trautonium. Paul Hindemith, der an derselben Hochschule unterrichtete, zeigt lebhaftes Interesse an der VolkstrautoniumKonstruktion: Die Spieltechnik (Niederdrücken einer Saite über einer Schiene) ähnelte sehr der Violinspieltechnik, was dem Bratschisten Hindemith natürlich behagte. Er schrieb demzufolge auch die ersten Stücke für das Instrument (Des kleinen Elektromusikers Lieblinge), die 1930 beim Musikfest „Neue Musik Berlin“ uraufgeführt wurden.1

Für die Weiterentwicklung des Trautoniums begann Trautwein, mit Siemens und nach der Übertragung des Elektroakustikgeschäfts im Jahr 1932 2 mit Telefunken zu kooperieren. Ziel war eine Serienproduktion. Die Chancen schienen günstig, da zu der Zeit eine Reihe elektrischer Instrumente entstand, die das Interesse der Öffentlichkeit erweckten und aufgrund der ungünstigen Wirtschaftslage am ehesten Absatzmöglichkeiten für ein billiges, möglichst flexibles Instrument zu erwarten waren.

Das Instrument wurde dann in der Folge vor allem durch die Privatinitiative Trautweins und durch Vorstellung auf den Berliner Funkausstellungen 1931 und 1932 beworben. Veranstaltet wurden diese Präsentationen vom Berliner Heinrich-Hertz-Institut, einer Organisation, die sich ebenfalls mit der Entwicklung elektronischer Musikinstrumente beschäftigte. Bei der Funkausstellung 1932 war eine ganze Halle einem „Elektrischen Orchester“ gewidmet: Alle zu der Zeit verfügbaren elektronischen Instrumente waren auf der Bühne versammelt, um dem staunenden Publikum vorgeführt zu werden. Es dauerte allerdings noch ein Jahr, bis Telefunken ein serienreifes Trautonium auf den Markt bringen konnte. Es sollte mit einem minimalen Aufwand an Bauteilen eine Fülle neuer Klangfarben erzeugen. Offiziell hieß es Telefunken-Trautonium, inoffiziell bürgerte sich aber rasch der Spitzname Volkstrautonium ein. Oskar Sala, Hindemith-Schüler und ab 1930 praktisch ausschließlich mit dem Trautonium beschäftigt, berichtet, dass die Bezeichnung während der Entwicklung entstand (zahlreiche andere Produkte wurden ab 1933 ebenfalls mit dem Zusatz versehen, wie der Volksempfänger, der Volkswagen, ein Volksklavier usw.).

Das neue Instrument wurde in einer Serie von 200 Stück gebaut und 1933 auf der Berliner Funkausstellung präsentiert. Der Absatz ging äußerst schleppend vor sich, sodass Telefunken kurze Zeit darauf das Interesse daran verlor. Sala bezeichnetet die extra dafür im Schott-Verlag erschienene Schule sogar als „Flop“. 3 Wahrscheinlich waren dafür mehrere Gründe ausschlaggebend. Einerseits war das Instrument teuer. Es kostete inklusive Röhren 431,25 RM – mehr als fünfmal so viel wie der Volksempfänger (der als Billiggerät für Propagandazwecke möglichst viele Menscher erreichen sollte) und damit rund zweieinhalb Monatslöhne eines Arbeiters. Zudem war die Spieltechnik des Trautoniums alles andere als einfach. Trotz Hilfstasten war das Treffen der Töne in der Notenskala schwierig und bedurfte einer ausreichenden Übung. Schließlich hatte sich durch Rundfunk, Schallplatte und Tonfilm das Rezeptionsverhalten für Musik deutlich gewandelt, sodass nicht nur Telefunken, sondern auch zahlreiche Musikinstrumentenhersteller Schwierigkeiten mit dem Verkauf hatten.

Fußnoten:


1 Siehe dazu auch Peter Donhauser, Elektrische Klangmaschinen, Wien 2007, S. 67ff.

2 Ela-Chronik, in: Siemens-Archiv, München, Signatur 15.LL 869, S. 2.

3 Peter Donhauser, Elektrische Klangmaschinen, Wien 2007, S. 135.

 
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