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Ultraphon



Peter Donhauser
Stereo aus der Monorille

Ultraphon: drawing of the made of operation from the patent. 1926.Die Entwicklung Küchenmeisters beruhte nach seinen Angaben auf der Beobachtung, dass in „Räumen vorzüglicher Resonanz“ die „Fülle“ des Klanges (wie er sich ausdrückt) durch verzögertes Eintreffen des Schalls bei Reflexion an den Wänden zustande kommt. Küchenmeister versuchte nun, aus ein und derselben Schallplattenrille ein zweites, phasenverschobenes Signal zu gewinnen, um diese „Fülle“ zu erzeugen. Eine schlüssige theoretische Grundlage konnte er jedoch nicht angeben. Die Anordnung der Tonarme und ihre Geometrie waren so gewählt, dass ihr Abstand am Plattenrand rund 9 cm, in der Plattenmitte rund 4,5 cm betrug (entsprechend der Abnahme der Bahngeschwindigkeit der Rille). Diese Distanzen ergeben sich aus der Drehzahl der Platte von 78 U/min und der gewünschten Verzögerung von 1/10 bis 1/20 s für den optimalen Effekt.1

Die erste Vorführung im Herbst 1925 im Berliner Hotel Esplanade klappte jedenfalls vorzüglich. Das der Presse übergebene Rundschreiben ließ allerdings viel an Klarheit zu wünschen übrig: „Die Theorie Küchenmeisters besteht darin, unter genauester Erfassung der subjektiven Wahrnehmungsfähigkeit des Hörers diejenigen Reizmittel auf dem Wege von der Tonquelle zum menschlichen Ohr einzuschalten, die dem Subjekt die Möglichkeit eines mehrdimensionalen Toneindrucks geben. Küchenmeister konstruierte einen Apparat, der durch mehrfache Anwendung von gleichen Tonschwingungen dem Menschen das mehrdimensionale naturnotwendige Hörenwollen von Tongebilden ermöglicht.“ 2

Ultraphon: advertismentDie einzige authentische Quelle zur Beurteilung der Erfindung stellen zwei Artikel im Magazin Der Radio-Amateur aus den Jahren 1925 dar, 3 die allerdings einer Reihe von Ungereimtheiten, Verwechslungen und auch Fehler enthalten. So wird z. B. angegeben, dass die Zeitdifferenz der Signale 1/100 s ausmachen würde, was nicht zutreffen kann, da die Geschwindigkeit der Rille dann 840 cm/s betragen müsste (das fast siebenfache der tatsächlichen Geschwindigkeit). Die Schriftleitung kommentierte abschließend die Ausführungen eher zurückhaltend und spricht von einem Pseudo-Effekt, der das natürliche räumliche Hören nicht nachbilden könne. Das neuartige Grammophon rangiert jedenfalls in einer Reihe von Versuchen zur „plastischen“ Musikwiedergabe. Vorangehende Versuche betrafen vor allem Übertragungen mit mehreren, flächig verteilten Mikrophonen und ebensolchen Lautsprechern – eine später als „Stereo“ bezeichnete Technik. Trotz kurzfristigen Aufsehens wurde es bald still um das Gerät.4 Eine prominente Präsentation erfolgte jedenfalls 1927 im Rahmen des Festivals „Musik im Leben der Völker“ in Frankfurt. Dem Ultraphon war (ähnlich dem Sphärophon Jörg Magers) ein eigener Raum gewidmet: „In der Abteilung […] ist eine neue Erfindung auf akustischem Gebiet ausgestellt, eine auf neuartiger technischer Grundlage aufgebaute Sprechmaschine, die den Ton naturgetreu und plastisch wiedergibt. Das ‚Ultraphon‘ wird ständig dem Publikum in seiner vorzüglichen Tonvermittlung vorgeführt.“5

Das Ultraphon war nicht der Hauptgeschäftszweig Küchenmeisters. Die Firma wurde 1922 gegründet, um die Sprechmaschinenpatente auszuwerten. Später stieg die Firma ins Schallplattengeschäft ein, war aber schon 1931 zahlungsunfähig und wurde von der Telefunken-Platten GmbH aufgekauft.6

Eine Kuriosität soll nicht vorenthalten werden: „Eine Trauung in der Luft mit Ultraphon. […] Kürzlich hatte in Berlin eine Doppeltrauung im Flugzeug stattgefunden: Zwei Brautpaare, die zugehörigen Trauzeugen und ein Pastor waren im Flugzeug aufgestiegen, in welchem der Trauakt, hoch über der Stadt, unter Musikbegleitung einer Ultraphon-Sprechmaschine stattfand. Diese hatte sich ihrer Aufgabe, die Orgel zu vertreten, durch eine Orgelplatte in glänzender Weise entledigt und auch die in Anbetracht des Propellergeräuschs erforderliche Klangstärke entwickelt.“ Für das Ultraphon war es eine willkommene Reklame – der Geistliche wurde allerdings wegen dieses „Verstoßes“ des Amts enthoben.7


Fußnoten:


1 Siehe dazu die Beschreibung im Patent AT 103588 vom 25. 6. 1926.

2 Otto Kappelmayer, Das Ultraphon, in: Der Radio-Amateur, Jg. 1925, S. 1104ff.

3 3. Jg., 1925, Heft 47, S. 1104; Heft 50, S. 1163ff.

4 Siehe dazu Ferdinand Scheminzky, Die Welt des Schalles, Salzburg 1935, S. 638.

5 Führer Musik im Leben der Völker, Frankfurt/M. 1927, S. 42.

6 Peter Tschmuck, Creativity and Innovation in the Music Industry, Dordrecht 2006, S. 63ff.

7 Zeitschrift für Instrumentenbau, 47. Jg., Nr. 21, S. 967.

 
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