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Singing Arc



Daniel Gethmann
Vom Nutzen des negativen Widerstands

Der Singing Arc wird am 13. Dezember 1900 vom britischen Physiker William Duddell (1872–1917) vor der Londoner Institution of Electrical Engineers vorgeführt. Mit Licht zu musizieren – Duddell spielt zur Präsentation die britische Nationalhymne – trägt der speziellen Schaltung des Lichtbogens auch die Bezeichnung „Musical Arc“ ein. Dessen Erfinder beschäftigt sich als geschickter Konstrukteur von physikalischen Experimentalapparaturen am Londoner Central Technical College eingehend mit der Untersuchung der Effekte des elektrischen Lichtbogens, sodass der Singing Arc im Kontext seiner physikalischen Forschungsfrage zunächst ein ebenso ingeniöser wie spektakulärer Laboreffekt ist, der die Vorstellung von einer elektronischen Klangerzeugung und musikalischen Synthetisierung in einem frühen apparativen Konzept konkretisiert. Dass eine physikalische Experimentalapparatur damit ein neues Kapitel des Musikinstrumentenbaus aufschlägt, sollte allerdings nicht die zentrale Forschungsfrage dieser Verschränkung von Physik und Musik übersehen lassen, ob und wie mit dem Lichtbogen Stimmen, Musik und Geräusche durch den Äther zu übertragen sind.

Singing Arc: wiring diagram, William DuddellVon einem elektrischen Lichtbogen hat erstmals der Naturforscher Humphry Davy berichtet, als er mit Alessandro Voltas gerade erfundener Batterie eine niedrige Gleichstrom-Spannung mit hoher Stromstärke zwischen zwei Kohlestiften erzeugt. Die sich dort bildenden Lichtbögen fungieren als frühe elektrische Lichtquellen zur Straßenbeleuchtung, deren Leuchtkraft so stark ist, dass sie noch in beiden Weltkriegen in Suchscheinwerfern zur Flugzeugabwehr Verwendung finden. Bereits lange vor den Experimenten von Heinrich Hertz zum Nachweis elektromagnetischer Wellen (1886–1888) hat man bei Lichtbogen-Entladungen den eigenartigen Effekt entdeckt, dass die Spannung bei steigender Stromstärke vorübergehend fällt. Von der Mathematikerin Hertha Ayrton, die ab dem Jahre 1893 die Forschungsarbeiten ihres Ehemanns William Ayrton zum elektrischen Lichtbogen aufnimmt und eigenständig fortführt, stammt die zutreffende Formel zur umgekehrten Proportionalität der Stromstärke zur Spannung des Lichtbogens, die dieses Phänomen unter der Bezeichnung „negativer Widerstand“ bekannt macht. Wegen ihrer Forschungsergebnisse wird sie als erste Frau von der Institution of Electrical Engineers aufgenommen.

Ihre experimentellen Ergebnisse übernimmt der Physiker George Francis Fitzgerald für seine These, dass der „negative Widerstand“ des Lichtbogens zur Hervorbringung ungedämpfter, kontinuierlicher, elektromagnetischer Wellen genutzt werden könne, da der „negative Widerstand“ des Lichtbogens den Widerstand des zweiten Schaltkreises gewissermaßen aufhebe. Der Mitarbeiter von Hertha und William Ayrton am Londoner Central Technical College, William Duddell, entdeckt dann bei seinen physikalischen Experimenten, dass der Lichtbogen einer Gleichstrombogenlampe ohne weitere Umwandlung selbst zu tönen beginnt, sobald ihr ein Schwingkreis parallel geschaltet wird. Nachdem der Physiker Hermann Theodor Simon bereits erfolgreich den Lichtbogen als Lautsprecher an ein Telephon angeschlossen und so den „sprechenden Lichtbogen“ erfunden hat, stößt Duddell zufällig auf dessen musikalische Eigenschaften. Mithilfe des von ihm zuvor erfundenen Oszillographen passt er die Schaltung an die berechneten Tonhöhen an – und die Integration eines Keyboards macht die Schaltung zu einem Musikinstrument.

Trotz weiterer Versuche gelingt es Duddell nicht, mit dem Singing Arc elektromagnetische Wellen zu erzeugen, da auf höheren Frequenzen der „negative Widerstand“ nicht mehr vorhanden ist. Die dänischen Physiker Valdemar Poulsen und P. O. Pedersen lassen schließlich im Anschluss an Duddells Arbeiten im Jahre 1902 einen Lichtbogensender patentieren, der ungedämpfte Schwingungen erzeugt und damit ab dem Jahre 1906 auch die radiophone Übertragung von Gesang und Musik ermöglicht. Insofern konkretisiert sich am Singing Arc sowohl die Vorstellung von rein elektronischen Klangmaschinen, wie sich an ihm auch ein klares medientechnisches Konzept für eine Rundfunksendetechnik musikalischer Ereignisse bildet.

 
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