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Sebastian Döring
Die Geburt der Phonographie aus dem Geiste der Signalübertragung

„Do you know Batch I believe if we put a point on the centre of that diaphragm and talked to it whilst we pulled some of that waxed paper under it so that it could indent it. It would give us back talking when we pulled the paper through the second time.“1

Edison with his Phonograph (1878)Der Phonograph hat Thomas Edison zum Hexenmeister gemacht, weil er reale Schallschwingungen einschreibt und wiedergibt. Das Parléophone hingegen wartet seit 130 Jahren auf eine Gestalt. Und auch Phonautogramme erklingen erst dank digitaler Signalverarbeitung seit 2008. Wer von den Anfängen der Phonographie spricht, spricht von Menlo Park und spricht von Thomas Alva Edison. Gut vier Fünftel Edison’scher Patentanmeldungen aus den anderthalb Jahren vor dem Dezember 1877 betreffen Entwicklungen am Telephon oder am Telegraphen. Von Mitte 1873 bis Mitte 1876 haben alle 32 Patentanmeldungen den Telegraphen zum Gegenstand.2

Mit Eisenbahn und Presse, mit Industrialisierung und Sezessionskrieg nahm seit den 1860er Jahren der Telegrammverkehr stetig zu. Die technische Frage der Zeit lautete: Wie lässt sich die Kanalkapazität der vorhanden Linien erhöhen, um teures und aufwändiges Verlegen neuer Leitungen zu vermeiden? Dazu gab es zwei Strategien: Entweder man versuchte, auf einer Leitung gleichzeitig mehrere Nachrichten zu übermitteln, oder man erhöhte die Geschwindigkeit, mit der die Nachrichten über den Kanal gingen.3 Für die erste Variante baute Edison akustische Telegraphen, die Di- und Duplex realisierten. Die Entwicklungen des zweiten Weges waren Recorder-Repeater, die der Logik des Telegraphennetzes entstammten: Diese Geräte nahmen Ausgangssignale auf, während der Operator sie sandte. Insbesondere Nachrichten der Presse konnten so mehrmals über verschiedene Linien versandt werden, dabei wurde die Sende- gleichauf mit der Wiedergabegeschwindigkeit erhöht. In einfachen Lochstreifen und Schieberegistern befand sich ein solches Prinzip schon in frühen Telegraphen der 1830er Jahre. Zu Edisons Zeiten allerdings, ab den 1850er Jahren, wurden Signale in stark ausgelasteten Telegraphiebüros nicht mehr graphisch, sondern über Sounder akustisch ausgegeben.

Parallel zur Lochstreifenspeicherung entwickelte Edison ab 1876 Geräte, die Signale zunächst auf Wachspapierstreifen, dann auf Scheiben einstanzten. Ein solches Gerät war beispielsweise der Translating Embosser.4 Ein Leserbrief im Scientific American aus dem November 1877 ist der erste Beitrag zur Edison’schen Schallspeicherung überhaupt. Das dort vorgestellte Verfahren zeigt im apparativen Aufbau deutlich seine Herkunft aus der Signalübertragung. Auch wenn der Verfasser erläutert, dass das vorgestellte Design nicht dem Edison’schen entspreche, so zeigen die Zeichnungen des nachmaligen Hexenmeisters in seinen Notizbüchern, dass das Prinzip präzise getroffen ist – wie auch der Verfasser hervorhebt. Nicht nur sind alle Elemente gängige Bauteile aus der Telegraphie oder Telephonie, sondern die Anordnung, das Dispositiv, ist noch vom Recorder-Repeater aus gedacht: „Der Redner in Boston spricht, der eingekerbte Papierstreifen ist das handfeste Ergebnis; dieser aber wird zu einer zweiten Maschine transportiert, die mit dem Telephon verbunden sein kann.“5 Ein Denken der Relais-Station; ein Denken der Übertragung.

Für die Speicherung braucht es diese zweite Maschine nicht. Es war das kymographische Zylinder-Stichel-Prinzip, das Edison zuvor für Faksimile-Telegraphen von 1868, Automatische Telegraphen in den frühen 1870ern und Elektromotographen in den mittleren 1870ern eingesetzt hatte, das es brauchte, um den Sprung vom Recorder-Repeater zum Phonographen zu vollziehen.6


1 Charles Batchelor, The Invention of the Phonograph, 1906–1908, in: Reese V. Jenkins u. a. (Hg.), Thomas A. Edison Papers Vol. 3, Baltimore 1994, S. 698.

2 Reese V. Jenkins u. a. (Hg.), Thomas A. Edison Papers Vol. 2, Baltimore 1991, Patent-Appendices, S. 816f; ders., Thomas A. Edison Papers Vol. 3, Baltimore 1994, Patent-Appendices, S. 702f.

3 Wolfgang Schreier, Hella Schreier, Thomas Alva Edison, Leipzig 1976, S. 37.

4 Reese V. Jenkins u. a. (Hg.), Thomas A. Edison Papers Vol. 3, Baltimore 1994, Doc. 857, S. 248.

5 Edward H. Johnson, A Wonderful Invention. Speech Capable of indefinite repetition from automatic records, in: Scientific American, Vol. XXXVII, New York, 17. November 1877, Übersetzung: SD.

6 Reese V. Jenkins u. a. (Hg.), Thomas A. Edison Papers Vol. 1, Baltimore 1989, S. xxxiv.





 
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