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Steinke, Gerhard / Schreiber, Ernst


Ernst Schreiber und Hans-Hendrik Wehding
Heinrich Deisl
Gerhard Steinke/ Ernst Schreiber: Subharchord

Das Subharchord ist ein elektronisches Musikinstrument, das auf Initiative von Gerhard Steinke, vormals Direktor im (ehemaligen) Rundfunk- und Fernsehtechnischen Zentralamt (RFZ) in Berlin-Adlershof, und einem Team um Ernst Schreiber in den Jahren 1959 bis 1968 entwickelt wurde. Steinke hatte bereits 1956 im RFZ ein rundfunkspezifisches Labor für Akustisch-Musikalische Grenzgebiete eingerichtet und zeichnete für Tonaufnahme- und Übertragungsprobleme, Audioqualitätsparameter, Einführung in die Rundfunk-Stereofonie sowie elektronische Klangerzeugung verantwortlich. Neben der Subharchord-Entwicklung konnte das Labor auch bis 1970 ein Klang-Experimentalstudio betreiben.

Das Subharchord verbindet Grundideen des Trautoniums von Friedrich Trautwein und Oskar Sala mit neuartigen elektronischen Klangbausteinen. Es ist speziell für den Einsatz in Studios für experimentelle Musik sowie in Rundfunk-, Film- und Fernsehstudios vorgesehen. Neben einer Melodiestimme, die mittels subtraktiver Klangformung aus obertonreichen Kippschwingungen in sägezahn- oder rechteckförmiger Wellenform über Filter unterschiedlicher Charakteristiken vielfältig variierbar ist, können bis zu vier subharmonische Untertöne in den Teilungsverhältnissen ½ bis ½9 erzeugt und beliebig zu einer mehrstimmigen Mixtur für neuartige Klangstrukturen kombiniert werden. Neuartig waren auch seinerzeit die Lösungen für druckabhängige Lautstärkeregelung und die Verdichtung der Klänge durch einen speziellen Chormodulator sowie andere Bearbeitungsstufen. Ein besonderes Merkmal des Subharchords ist das erstmalig in einem elektronischen Instrument realisierte Klangfarbenspiel, das auf einem separaten Manual mittels spezifischer Filter nach der MEL-Tonhöhenskala in vom Komponisten Josef Anton Riedl erprobten Frequenzbandbreiten-Bereich möglich ist. Neben Aufträgen des Rundfunks – darunter etwa für Subharchord mit Sinfonieorchester – konnten Komponisten wie Hans-Hendrik-Wehding, Siegfried Matthus, Bernd Wefelmeyer, Tilo Medek, Wolfgang Hohensee und der amerikanische Pianist und Komponist Frederic Rzewski interessante Werke realisieren. Besondere Unterstützung erfuhr die Entwicklungsarbeit zu Beginn durch den Komponisten Addy Kurth, der damit Animationen für Film und Fernsehen vertonte und später dem Trickfilmstudios Dresden zu einem eigenen Seriengerät verhalf. Solche wurden in weiterer Folge auch an die Rundfunkanstalten in Norwegen und in der Tschechoslowakei geliefert. Karl-Ernst Sasse produzierte mit dem Subharchord Filmmusiken für einige Sci-Fi-Streifen der DEFA. Mit zahlreichen Studios für elektronische Musik und den dort tätigen Komponisten (u.a. Luigi Nono, Karlheinz Stockhausen, Bruno Maderna, Henk Badings, Herbert Eimert, Elliot Crater, Franco Evangelisti, Lejaren Hiller,…) bestand reger Kontakt und Austausch. Die Akademie der Künste in Berlin, insbesondere die Komponisten Kurt Schwaen und Paul Dessau, später auch Georg Katzer, unterstützen die Arbeiten des Adlerhofer Studios und organisierten öffentliche Veranstaltungen.

Das Gerät ermöglicht einen Spielbereich über zehn Oktaven. Dies geschah zunächst über ein Tastenmanual, das in folgenden Baustufen durch ein Bandmanual (wie bei Hellertion und Trautonium) sowie weitere Tastenmanuale für additive Klangsynthese ergänzt werden sollte. Mittels geeigneter Steuerungsmöglichkeiten wäre es als Konzertinstrument im Zusammenspiel mit konventionellen Musikinstrumenten und Orchestern einzusetzen gewesen. Diese Vorhaben konnten indes nicht mehr realisiert werden. Entwicklung und Fertigung mussten 1969 aufgrund der seinerzeitigen »musikpolitischen Bedingungen« in der DDR eingestellt werden. Das Labor widmete sich weiterhin den Problemen der Tonstudiotechnologie.

Gegenwärtig existieren von den etwa sieben hergestellten Instrumenten der 2005 restaurierte, voll spielfähige und im Studio der Akademie der Künste zu Berlin aufgestellte Prototyp, das 2007 ebenfalls wiederhergestellte Seriengerät (Nr.2) im Funkhaus Berlin-Nalepastraße sowie weitere Seriengeräte im Ringve-Museum in Trondheim und im Funkhaus Bratislava. Letzteres wurde 2008 nach längerem Stillstand ebenfalls wieder einsatzbereit gemacht und ist in bei den »Zauberhaften Klangmaschinen« in Hainburg zu sehen. Das Gerät im ehemaligen DEFA-Trickfilmstudio Dresden, das besonders durch Kurth und Sasse intensiv genutzt worden war, wurde um 1989 zerstört.

Eine vollständige Dokumentation über die Geschichte des Subharchords ist von Gerhard Steinke bei der Akademie der Künste in Vorbereitung (Weiters siehe: Das Studio Adlershof; DecimE-Mitteilungen 10/1993). Steinke besitzt das Markenschutzrecht für den Namen »Subharchord«.

 
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