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Superpiano



Peter Donhauser
Filmton im Klavier

Emerich M[oses] Spielmann (*1873) war Architekt und lebte in Wien. Er beschloss, das Prinzip des Lichttons, das erstmals 1883 von Arthur French St. George (London) patentiert wurde, auf ein Musikinstrument zu übertragen; Spielmann war jedoch nicht der Erste, der dies versuchte: Bekannt wurde das Prinzip vor allem durch den Spielfilm mit Lichtton, erstmals 1922 im Alhambra-Kino in Berlin in Europa vorgeführt. Zahlreiche Patente mit ähnlichen Erfindungen wurden angemeldet, Spielmanns Instrument blieb zudem erhalten, es erhielt den Namen „Superpiano“ und wurde am 9. Januar 1929 erstmals im Österreichischen Kulturbund vorgeführt. Der Komponist Erich Wolfgang Korngold spielte dabei mit einer Hand Klavier und mit der anderen auf der Tastatur des neuen Instruments. Die Tageszeitungen widmeten dem Ereignis ausführliche Berichte: Spielmann hätte den Gedanken schon 20 Jahre zuvor gefasst, konnte das Instrument aber erst auf Grund der Fortschritte der Radiotechnik verwirklichen. Es könnte Möglichkeiten eröffnen, die gegenwärtig noch gar nicht überblickbar wären. Man schrieb von „Gespensterklavier“ und von „mysteriösem Singen der Elektrowellen“. Der Klangeindruck würde sich im Wesentlichen jedoch nicht viel von der Ätherwellenmusik der Professoren Theremin und Martenot unterscheiden. Die Presse mutmaßte, dass ein einziger Spieler in Zukunft Orchesterklänge hervorbringen könne und in allernächster Zeit Mischungen des Elektrotons mit den überkommenen Instrumentalklängen von Tondichtern verwendet würden.

Superpiano: blackened celluloid disks for creating sound rich in harmonics (left) or with few harmonics (right). Circa 1935Kurz darauf, am 14. Februar 1929, stellte Spielmann das Superpiano in einer Sendung der Wiener Radiostation RAVAG als zweiten Vortrag einer Serie über Das Licht spricht, das Licht musiziert vor, wobei er seine Erfindung als Kombination der Vorteile von Orgel, Harmonium und Klavier präsentierte. Es sollte jedoch auch eine wesentliche Erweiterung darstellen: kontinuierliche Töne beliebiger Klangfarbe und freie Transponiermöglichkeit (bewerkstelligt durch Veränderung der Umdrehungszahlen; zur Regulierung war eine Art Tachometer eingebaut). Zudem sollte das Instrument nicht mehr kosten als ein normales Klavier. Die Aufnahmemöglichkeit beliebiger Tonquellen sollten die Wiedergabe von „Kreislers Geige oder Carusos Stimme“ auf dem Superpiano ermöglichen, sogar bei verschiedenen Stimmlagen (Kreisler am Kontrabass oder Caruso als Bass) – versprach zumindest eine Werbebroschüre. Mit heutiger Technik des Sampelns und der Soundfonts ist dies tatsächlich in einfacher Weise realisierbar geworden. In der Folge blieb es still um das Superpiano. Erst am 8. April 1933 strahlte der Österreichische Rundfunk um 20 Uhr noch ein Konzert auf zwei Superpianos aus: das letzte nachweisbare Lebenszeichen des Instruments. 1

Spielmann hatte offenbar mehrere Exemplare gebaut: ein zweiteiliges mit freistehender Klaviatur und einem Schrank, der die Tonscheiben enthielt, und das abgebildete in Form eines Pianinos, das 1947 vom Klavierbauer Hofmann an das Technische Museum Wien verkauft wurde und als Unikat den Weltkrieg überlebt hatte. Über Spielmanns Verbleib ist nichts Weiteres bekannt. Er meldete sich 1939 nach London ab, dann verliert sich die Spur. Das nächste Lichttoninstrument in Europa wurde erst 1936 in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt: Edwin Welte aus der Dynastie der bekannten Hersteller von Selbstspielapparaten für Orgel und Klavier hatte in sechsjähriger Entwicklung ein serienreifes Instrument gebaut, das jedoch nicht produziert wurde, da Weltes Frau jüdischer Herkunft war und er daher als „politisch unzuverlässig“ galt. Das Instrument wurde im Weltkrieg zerstört, es sind nur Scheiben und Konstruktionszeichnungen erhalten geblieben. Weiters ist das Optigan eine etwa 40 Jahre jüngere Variante eines Lichttoninstruments, das ebenfalls mit Scheiben arbeitet, auf denen Klänge in konzentrischen Spuren aufgetragen sind.

Fußnoten:


1 Siehe dazu Peter Donhauser, Elektrische Klangmaschinen, Wien 2007.

 
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