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Mixturtrautonium



Peter Donhauser
Konzert für 300 Volt, 20 Ampere und Orchester

mixture trautonium: wiring diagram from the patent, 1952Das Mixturtrautonium ist eine Weiterentwicklung des Rundfunktrautoniums, das Oskar Sala für die Reichsrundfunkgesellschaft ab 1935 entwickelte. Er berichtete über die Arbeit daran in einem ausführlichen Artikel im Neuen Musikblatt, in dem er die zweimanualige Ausführung als Konsequenz jahrelanger technischer Erfahrung mit besonderen Anforderungen in musikalisch-praktischer Hinsicht beschrieb.1 Sala nützte das Instrument, um 1938/39 zahlreiche Sendungen im Deutschen Rundfunk zu bestreiten. Das Programm umfasste im Wesentlichen Stücke für Klavier und Trautonium: entweder Bearbeitungen von virtuoser Violin- oder Bläserliteratur, aber auch neue Kompositionen, vor allem von Harald Genzmer.

Nachdem das Rundfunktrautonium kaum für Konzertreisen taugte, baute Sala für seine zahlreichen Konzertreisen, die bis weit in die Kriegszeit hineinreichten, ein eigenes, zweimanualiges Konzerttrautonium, das auch das Kriegsende überstand. Es enthielt bereits einfache Mixturen, die Einstellung der Klänge war aber noch unhandlich. Aus diesem Instrument entwickelte er nach 1948 das Mixturtrautonium, wobei ihm ein Zufall zu Hilfe kam. Er entdeckte, dass sich eine spezielle Röhrenschaltung besonders für die Synchronisation der subharmonischen Töne eignete (ohne starre Frequenzkopplung ist eine schwebungsfreie Synthese der Klänge nicht möglich). Diese Erfindung meldete Sala auch in Deutschland und den USA zum Patent an.2 Da auf jedem der beiden „Manuale“ (Widerstandsdraht über einer Metallschiene wie beim Volkstrautonium) eine eigene Klangmischung eingestellt werden kann, ist ein sehr abwechslungsreiches, farbiges Spiel möglich.

Für dieses neue Instrument schrieb dann Harald Genzmer 1952 sein Konzert für Mixturtrautonium und großes Orchester; das zweite Konzert, das er für Sala schrieb. Das erste (1936 uraufgeführt, umgearbeitet und 1940 in der Berliner Philharmonie mit großem Erfolg vorgestellt) war noch dem Konzerttrautonium gewidmet. Noch ein größeres Werk entstand für das Instrument: Jürg Baurs Concerto für Mixturtrautonium und Streichquartett (1956).

Alfred Hitchcock and Oscar SalaSala wandte sich anschließend vom Konzertbetrieb ab und entdeckte für sich die Welt des Films. Berühmt wurden seine synthetischen Möwenschreie in Hitchcocks Die Vögel (1963) und die beiden preisgekrönten Vertonungen von Stahl, Thema mit Variationen (1960), À fleur d’eau (1963) und der Edgar-Wallace-Film Der Fluch der gelben Schlange (1962). Für zahlreiche weitere Filme (es sollen mehr als 300 gewesen sein) steuerte er zumindest elektronische Geräuscheffekte bei; dazu wurde das Instrument um Hallgeräte, Frequenzumsetzer, Audioprozessoren etc. erweitert. Anlässlich einer Vorführung im Jahr 1980 fassten drei Professoren der Deutschen Telekom Fachhochschule den Entschluss, ein mikroelektronisches Mixturtrautonium nach klanglicher Vorgabe der Konstruktion Salas zu bauen. Das Vorhaben gelang, Sala benützte das Instrument bis zu seinem Tod im Jahr 2002.3

Ein anderes Vorhaben gelang jedoch nicht. Sala sollte 1948 für den Rundfunk ein Quartett-Trautonium bauen. Er produzierte zwar nach längerem Hin und Her ein Labormuster, das aber 1957 immer noch nicht funktionsfähig war. Man beschloss daraufhin am Rundfunk- und Fernsehtechnischen Zentralamt der Deutschen Post (damals bereits DDR), selbst ein Instrument zu entwickeln: das Subharchord (der Name setzt sich aus „subharmonisch“ und „Akkord“ zusammen), das in einigen Exemplaren an experimentierfreudige Rundfunkanstalten verkauft wurde.4

Fußnoten:


1 Ein neues elektrisches Soloinstrument, in: Neues Musikblatt, Mai/Juni 1938, S. 5.

2 Patente DE 917470 (1952) und US 2740892 (1956).

3 Siehe dazu Oskar Sala im Gespräch, in: Peter Frieß, Peter M. Steiner (Hg.), Forschung und Technik in Deutschland nach 1945, Bonn 1995, S. 215ff.

4 Siehe Peter Donhauser, Elektrische Klangmaschinen, Wien 2007, S. 228f.


 
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