English

Max-Brand-Synthesizer



Christian Scheib
I Am The Machine – Eine persönliche Annäherung

Max Brand and the Max-Brand-SynthesizerInmitten des halluzinatorisch dröhnenden Elektroakustik-Sounds ist es diese Stimme, pathostrunken hollernd und verzweifelnd übersteuert, die einem in die Knochen fährt. In knacksender Spannung war zuvor der Start vorbereitet worden, zischend und krachend die Rakete gestartet und schließlich atmosphärisch klirrend in den Weltraum geglitten: Zu diesen Klängen in den ersten Minuten von Max Brands Tonbandkomposition The Astronauts (1962) sind ebenfalls schon Stimmen zu hören, diesseits von jeglichem Pathos allerdings. Brand hatte NASA-Aufnahmen der Funksprüche zwischen der Bodenstation und John Glenn während dessen ersten Weltraumfluges als Grundlage für seine elektroakustische Ode verwendet: Ein pathetisches Oratorium zu Ehren eines Gottes, der da heißt Technik.

Max-Brand-Synthesizer„Glad to meet you, Mr. Brown. I am the Machine“. Der technisch-künstlerische Visionär sucht sich ein Sprachrohr – und schon geht sein Ich auf in Schaltkreisen. In unnachahmlicher Verschränkung von Expressivität und Maschinenglauben formuliert der Komponist mit Sprechpassagen wie diesen – aus einem skizzierten Aufführungsprojekt zu Beginn der 1960er Jahre – sein elektronisches Credo. Das fingierte Autobiographische der Maschine gerät zur selbstreferenziellen Identitätsschleife des Komponisten: Rückkoppelung „at its best“.

notationsMax Brand, 1896 in Lemberg geboren und 60 Jahre später zum einsamen Elektronikpionier in New York mutiert, erreichte mit seiner elektronischen Musik kaum mehr eine Öffentlichkeit und auch nur selten ein künstlerisches wie technisches Produktionsniveau, das seinen eigenen Ansprüchen genügt hätte. Aber er hinterließ aus diesen Jahren nicht nur eine wunderbare Maschine und eine Sammlung von Tonbändern, sondern auch die Fama von seiner künstlerisch integren Besessenheit – und die Kunde von einem Zeitalter, das an technische Utopien schlichtweg glaubte. Nach Jahrzehnten als Komponist, in denen sich zwischen 1920 und 1955 europaweit Erfolg und Ignoranz abwechseln, in denen er vor den Nazis von Wien über Prag, Paris, Lausanne und Rio de Janeiro nach New York flieht, beschließt er, fortan ausschließlich mit elektronischen Mitteln zu arbeiten. Das war 1956 prinzipiell nicht einfach, aber Brands Sonderrolle beruht darauf, dass er – im Gegensatz zu den meisten damals an Elektronik interessierten E-Musik-Komponisten – keinen Zugang zu den großen, im Aufbau befindlichen Studios der amerikanischen Universitäten und europäischen Radiostationen fand. Also begann er, gemeinsam mit Freunden, sein eigenes Studio einzurichten. Sie stießen auf den jungen Robert Moog, kooperierten an der Entwicklung einiger Komponenten, kauften einige gerade serienreif gewordene Geräteteile – und im Laufe von gut zehn Jahren entstand dabei jene unikate Maschine, die heute noch existiert und vielleicht das Vermächtnis dieses Künstlers ist.

Max Brand and the Max-Brand-SynthesizerBrands The Astronauts ist wohl sein bekanntestes elektroakustisches Werk und zugleich auch in der Konzeption symptomatisch für sein ästhetisches Empfinden. Brand inszeniert kurz vor Ende seines Stücks eine Art Trauermarsch als Fluchtpunkt der Technikverehrung. Opfer müssen nolens volens gebracht werden, darauf insistiert der Sprecher mit beschwörender Stimme, während im Hintergrund dieselbe Stimme – diejenige Max Brands – ein Requiem aeternam intoniert, eine wahrlich abgründige Szene. Was man in seiner dramaturgischen Anlage als Oratorium für Sprecher, Orchester – ersetzt durch Tonband – und Chor erkennen kann, geriet in der Produktionsrealität zur rabiat-pathetischen „homestudio-production“ als Zeitdokument, dem Gott Technik ein Denkmal setzend, das in seiner Gleichzeitigkeit von unbedingtem Furor und durchlittener Erbärmlichkeit seinesgleichen sucht.

 
Index