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Nußbaumer, Otto


Otto Nußbaumer
*1876 in Wilten/ Innsbruck; † 1930 in Salzburg

Nußbaumer–System
Heinrich Deisl
Otto Nußbaumer

Der erste erfolgreiche Versuch zur drahtlosen Übermittlung von Tönen stammt aus Österreich. Es war der 1876 in Wilten/ Innsbruck geborene und 1930 in Salzburg gestorbene Physiker und Radiopionier Otto Nußbaumer, dem am 15. Juni 1904 auf der Technischen Hochschule (der heutigen Universität) in Graz dieses Experiment gelang. Mit dem Nußbaumertisch wurde er zum Fixbestandteil österreichischer Medienarchäologie und Radiotechnologiegeschichte.

Otto Nußbaumer, der an der Landesoberrealschule in Graz seine Matura abgelegt hatte, studierte an der dortigen Technischen Hochschule und arbeitete dort von 1901 bis 1907 als Konstrukteur und Assistent. Anfang des 20. Jahrhunderts gab es von vielen Erfindern Entwicklungen zur drahtlosen Übermittlung von Informationen, siehe etwa Alexander St. Popov, oder, wahrscheinlich am bekanntesten, Guglielmo Marconi. Ähnlich wie das »Hello«, das erste Wort, das Edison in seinen Phonografen gesprochen hatte, sang Nußbaumer für seinen Versuch die steirische Landeshymne, das »Dachstein-Lied«. Und dies mittels Funksender durch Räume hindurch auf eine Distanz von gut 20 Metern. Man muss sich vergegenwärtigen, dass die technischen Ausrüstungen damals noch sehr rudimentär waren. So gab es z.B. keinen Verstärker. Die Vorform dazu wurde kurz nach Nußbaumers Experiment vom österreichischen Physiker Robert von Lieben als »Lieben-Röhre« zum Patent angemeldet. Ende der 1990er Jahre wiesen der an der TU Graz emeritierte Professor Helmut Jäger und der ehemalige technische Leiter des Landesstudios Steiermark Gerhard Kasper u.a. mit Speicheroszillograph und Frequenzanalyse nach, dass es sich bei Nußbaumers Anordnung um eine Impuls-Modulation handelte. Im strengen Sinn hatte Nußbaumer natürlich nicht das Radio erfunden, sondern als erster den Nachweis erbracht, dass man Töne drahtlos übermitteln konnte. 2004 wurde von Jäger/ Kasper zum 100. Geburtstag das Nußbaumer-Experiment im ORF-Landesstudio Graz erfolgreich wiederholt. Kasper, der bereits um 1950 auf der Grazer TU auf Nußbaumer aufmerksam geworden war, hat seit damals ein umfangreiches Archiv angelegt, von dem große Teile im Grazer Technischen Museum aufbewahrt sind.

Es mutet seltsam an, dass der Nußbaumertisch nicht weitergeführt wurde. Unterstützung kam weder von öffentlicher Seite noch von seinem Professor, Ordinarius Albert von Ettingshausen. Nach Kasper hatte Nußbaumer zwar sehr wohl die Tragweite seiner Entdeckung erfasst, wohl aber auch seine Grenzen. Er hatte nie ein Patent angemeldet und bis auf einen kurzen Artikel in einem technischen Fachmagazin auch nichts zu seiner Apparatur veröffentlicht. 1908 zog Nußbaumer nach Salzburg, wo er als Landesbeamter im Bausektor tätig war. 1929 wurde ihm die Ehrenbürgerschaft der Stadt Salzburg zuteil. Hätte er seine Erfindungen fortgesetzt und hätte diese mit der Lieben-Röhre kombiniert werden können, wären einige der wegweisendsten Impulse zum Radio aus Österreich gekommen.

 
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