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Hammondorgel



Gert Prix
Teufelswerk oder ernst zu nehmendes Musikinstrument?

Irgendwie hat es dann doch länger gedauert, bis die Hammond-Orgel schließlich jenes Jazz-Rock-Pop-Genre erreichte, das ihr einen dauerhaften und unumstrittenen Spitzenplatz im Reich der elektrifizierten Klänge sichern sollte. Dabei hatte es bereits grandios begonnen. Als am 15. April 1935 die Hammond-Orgel in der New Yorker Radio City Hall erstmals öffentlich präsentiert wurde, war ein Erfolg irgendwie schon abzusehen, denn die industrielle Herstellung eines neuartigen Musikinstrumentes versprach Arbeitsplätze. Und so wurden einmal behördlicherseits einige Wege geebnet, einschließlich der unüblich raschen Patenterteilung. Und dann natürlich das Instrument selbst, das im direkten Vergleich mit traditionellen Pfeifenorgeln doch einige Vorzüge aufzuweisen hatte.

Zum Beispiel seine Stimmstabilität: Solange die Netzsteckdose die vorgesehenen 50 oder 60 Hertz Wechselspannung von sich gibt, steht dem wohltemperierten Hörgenuss nichts im Wege; selbst im Falle „ungehorsamer“ Steckdosen präsentiert sich die Hammond noch immer als ein in sich stimmiges Instrument. Zum Beispiel seine Portabilität: Vor einigen Dekaden war man recht froh, erstmals Tonnen von Orgelpfeifen durch Kilos aus dem Hause Hammond eintauschen zu können. Zum Beispiel seine Klangvielfalt: Sich mit der „Königin der Instrumente“ anzulegen, ist natürlich nicht ungefährlich. Da helfen eventuell auch jene 253 Millionen Klangfarben nicht, welche der Hammond-Konzern stolz als Soundpotenzial verkündete – diese Zahl dürfte nur einer groben Schätzung entstammen und ist in Wirklichkeit wahrscheinlich noch höher. Zum Beispiel sein Preis: Für Pfeifenorgeln gibt es keine Preisliste, da hier stets Individuallösungen angefertigt werden. Aber wenn man den Preis einer Hammond-Orgel mit etwa zehn Prozent des herkömmlichen Etats veranschlagte, so lag man sicher nicht ganz daneben … Aber kein Argument kann das Erlebnis beschreiben, was geübte oder ungeübte, bedarfte oder unbedarfte, schon glückliche oder noch unglückliche Rezipienten erfahren, wenn sie sich in den Klang einer Hammond fallen lassen.

Hammond EDas hier abgebildete Modell Hammond E „traf“ ich in München. Dorthin war es über England zu einem Musiker gelangt, der ebenso wie ich vom unheilbaren Hammond-Virus infiziert war. Was war mein erster Gedanke, als ich – nun bereits Eigentümer – die Details der Hammond E studierte? Die runden Presettasten links der Manuale inspirierten mich irgendwie, allerdings mehr in lyrischer denn in musikalischer Hinsicht. Dieses Schreibmaschinendesign war letztendlich das Ergebnis einer jener von konservativen Kirchenorganisten eingeforderten Korrekturen, welche Hammond veranlasste, sein damals eigentlich Preset keys of the Hammondorganschon bewährtes Layout einer nochmaligen sakralen Annäherung zu unterziehen: Registerkoppeln für die Manuale und das Basspedal; zwei Swellpedals, um die Lautstärke beider Manuale getrennt regeln zu können; optische Kontrolle über die Stellung dieser Swellpedals mittels Seilzügen ; das bereits erwähnte traditionellere Design der Presetregister; schließlich zweieinhalb Oktaven im Basspedal, dessen Tasten nun zusätzlich konkav angeordnet wurden.

Mit all diesen Features ist diese Hammond E ein absolutes Unikat in der unglaublich umfangreichen Modellvielfalt des legendärsten und einflussreichsten Herstellers elektr(on)ischer Orgeln. Der kommerzielle Wahnsinn gelang zurecht mit der legendären und unauslöschlichen Hammond B3. Aber die vollendete Symbiose von sakraler Tradition und profanisierter Innovation repräsentiert die Hammond E!

 
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