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Popov–System



Nina Borisova
Ein Quantensprung der Wellen

Erstmals wurden künstliche, vom Menschen geschaffene elektromagnetische Wellen von Heinrich Hertz im Zuge seiner Experimente 1888/89 gewonnen. Er verwendete einen Funkengenerator (Ruhmkorff-Spule mit Linearvibrator), welcher es dank des Wellencharakters der Funkenentladung erlaubte, schnell schwindende elektromagnetische Wellen zu erhalten. Die im Raum auftretenden Wellen empfing ein Resonator, der in einiger Entfernung von der Antenne des Generators angebracht wurde. Im Moment des Auffangens der Wellen durch den Resonator tauchten in seinem Zwischenraum kaum merkliche Fünkchen auf, die man durch eine Lupe erkennen konnte.

Anfang 1889 nahm Popov an einer Sitzung der Russischen Physikalisch-Chemischen Gesellschaft teil, auf welcher der Petersburger Professor N. G. Jegorov die Versuche von Hertz reproduzierte – aber sie schienen Popov nicht anschaulich genug. Schon ein paar Monate später baute er eigenhändig kompaktere und effektivere Geräte zur Demonstration von Hertz’ Versuchen, um sie dann noch mehrfach zu vervollkommnen. 1894 hatte Popov einen funktionierenden Sender fertiggestellt, welcher elektromagnetische Schwingungen erzeugte, nach dem Vorbild von Hertz’ Vibrator gebaut war und eine Ruhmkorff-Spule hatte. Das Problem lag beim Empfänger. Auf der Suche nach einem verlässlichen Empfang der elektromagnetischen Wellen und ihrer anschaulichen Indikation experimentierte Popov mit den Gasentladungsröhren von Geißler und einer speziellen Konstruktion von Crooks Radiometer. Aber die Ergebnisse stellten ihn nicht zufrieden. Der zu dieser Zeit bekannte Radiokonduktor (funkgesteuerter Leiter) von Branley und das Empfangsgerät von Lodge waren noch im Experimentierstadium.

Der Radiokonduktor (Branley-Röhre) wurde von dem französischen Ingenieur Edouard Branley im Jahr 1890 erfunden, als er nach Parallelen zwischen Medizin und Physik suchte: „Nervenleitfähigkeit“ von mit Metallspänen gefüllten Röhren. Die Branley-Röhre war aus Glas und mit metallenen Ausgängen an den Enden, die mit Metallspänen gefüllt war. Die Späne konnten ihre Leitfähigkeit um ein Vielfaches erhöhen, wenn man sie elektrischen Ladungen aussetzte – aber sie hafteten dann aneinander. Um die Röhre in den ursprünglichen Zustand zu versetzen, musste man sie schütteln. Erstmals hat den Zusammenhang zwischen der Leitfähigkeit der Branley-Röhre und elektromagnetischen Wellen der britische Physiker Oliver Lodge demonstriert. Er ergänzte die Branley-Röhre mit einer mechanischen Konstruktion zum periodischen Schütteln der Späne, dem „Unterbrecher“ („trembler“), der von einem autonomen Uhrmechanismus gesteuert wurde, unabhängig von den eintreffenden elektromagnetischen Schwingungen. Lodge nannte seinen Indikator Kohärer (Kuppler).

Lodges Versuche mit dem Kohärer, wie auch die frühen Versuche von Hertz, wurden von allen Physikern weltweit wiederholt, kaum dass Lodges Aufsatz in der Zeitschrift Elektrician im Juli 1894 erschienen war – jedoch nur Popov konnte ein praktisches Ergebnis erzielen. 1895 erarbeitete er ein System: Das Gerät wurde auf einem hölzernen Unterbau montiert; zur Abschirmung vor elektrischen Störungen wurde das Gerät in einen Metallgitter-Koffer gelegt; als Antenne diente ein vertikales Drahtstück oder ein unsymmetrischer Vibrator mit Parabolspiegel (das von Popov vorgeschlagene Schaltschema konnte auch für Gewittermelder und für telegraphische Übermittlung verwendet werden).

Das war in der Geschichte des Fernmeldewesens das erste Übertragungs- und Empfangsschema von elektromagnetischen abklingenden Schwingungen, das für einen verlässlichen Informationsaustausch geeignet war. Das Schema wurde zum Prototyp für die nachfolgenden Systeme der drahtlosen Kommunikation der ersten Generation. Die Tätigkeit von Guglielmo Marconi, der internationale Anerkennung und den Nobelpreis 1909 erhielt, kann man zu der nächsten Entwicklungsetappe der Funkkommunikation zählen – Alexander S. Popov erlebte das nicht mehr, er starb 1905.

 
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