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Gottwald, Hellmut


Hellmut Gottwald
Heinrich Deisl
Hellmut Gottwald: Akaphon

Hellmut Gottwald, ein »Hans Dampf in allen Gassen«, der die Geschichte österreichischer elektroakustischer Musik maßgeblich mitprägte: Gottwald, der als Aufnahmeleiter an der Etablierung des Instituts für elektroakustische Musik an der Wiener Akademie für Musik und Darstellende Kunst (ELAK) beteiligt war und dem Institut gut sein halbes Leben verbunden war, entwickelte Mitte der 1960er Jahre Prototypen zum Synthesizer, zum Grafikequalizer und zur Rhythmusmaschine. Er war nicht nur Ehrenmitglied der Gesellschaft für Elektroakustische Musik, sondern auch Programmierer von Robotern, Aquarellmaler und 1985 4. bei den österreichischen Staatsmeisterschaften im Dressurreiten.

Hellmut Gottwald – am 3. April 1938 im südmährischen Feldsburg geboren und am 16. Juni 2004 in Wien gestorben – steht in seinen Tätigkeiten als Tonmeister symptomatisch am Übergang von den allerersten heimischen elektroakustischen Musikexperimenten und dem Beginn der Stereofonie zur Musikcomputer-Technologie. Ursprünglich hatte er ein Violinstudium angestrebt, studierte dann aber Welthandel und Nachrichtentechnik. Mit 20 Jahren war er technischer Angestellter in der Tonaufnahmeabteilung von Philips. Als er 1960 an die Akademie kam, sollte sich daraus eine Zusammenarbeit bis 1995 ergeben. Um 1955 war auf Initiative von Karl Schiske und Karl Wolleitner auf der Akademie ein Tonstudio eingerichtet worden, das sich programmatisch an der »Kölner Schule« orientierte und das drei Jahre später fertiggestellt wurde. Dort wurde 1960 die erste elektroakustische Tonbandkomposition in Österreich realisiert: Bei »Fantasmata« von Anestis Logothetis war Gottwald als Tonmeister dabei, da er sich in den vergangenen Jahren durch eine Vielzahl von Konzertaufnahmen einen guten Namen gemacht hatte. Ein Jahr später wurde er mit dem Umbau des ersten ELAK-Mischpults betraut.

Nach seiner Berufung zum Lehrbeauftragten 1964 realisierte Hellmut Gottwald noch im selben Jahr die beiden Geräte »Akaphon« und »Akapiep«. »Aka-« stand als Hommage an die Akademie. Aus Kostengründen in ein altes Piano eingebaut, kann das »Akaphon« als eine Vorstufe zum spannungsgesteuerten Synthesizer bezeichnet werden, an dem der Amerikaner Robert Moog praktisch zeitgleich arbeitete. Das »Akaphon« wurde zwar bis in die späten 60er von Komponisten verwendet, indes fast ausschließlich innerhalb des Studios. Heute ist das »Akaphon« im Technischen Museum Wien aufgestellt. Das »Akapiep« bestand aus Tongeneratoren, die zwei Metren gleichzeitig spielten, weshalb man es als Rhythmusmaschine bezeichnen könnte. Wenig später entwickelte Gottwald auch das »Akaschieb«, das auf einem Potentiometer basierte und den Grafikequalizer vorwegnahm. Diese Geräte entstanden in einem technischen Umfeld, das als höchst rudimentär eingestuft werden muss. Schließlich wurde er 1975 für fast 20 Jahre Leiter des Lehrgangs für Tontechnik und für Tonmeisterausbildung, im Laufe seiner ELAK-Zeit arbeitete Gottwald mit Komponisten wie Boris Blacher, Otto Zykan, Reinhold Portisch, Istvan Zelenka, Dieter Kauffmann, Karl Heinz Gruber, Friedrich Cerha und Roman Haubenstock-Ramati. Der Tonmeister-Lehrgang, der um 1975 einjährig war, wurde in der Folge unter seiner Ägide zu einem fünfjährigen Studium ausgebaut. Das Fachmagazin »media biz« bezeichnete ihn in einem Interview 2001 als »Ton-Urgestein«.

Neben seinen Lehrtätigkeiten am ELAK war Hellmut Gottwald von 1960 bis 1977 als Tontechniker und Aufnahmeleiter für eine Vielzahl von Konzerten, Firmen und Labels im Einsatz, darunter etwa Sonofon, Westminster Rec., ABC Paramount, RCA, Victor und EMI. 1973 gründete er sein eigenes »Büro für elektronische Regel- und Steuertechnik«, das 1991 infolge Krebserkrankung eingestellt werden musste. Er war in den ’80ern Berater des Wirtschaftsförderungsinstituts – WIFI und Konsulent für Bosch, Schrack, ÖBB, AUA und den ORF. Ein echter Allrounder eben, der zwar des Öfteren so gar nicht ins Bild einer später arrivierten Soundforschungseinrichtung wie dem ELAK passen wollte, der aber wegen seiner charmanten Mischung aus überragendem technischem Wissen und Leidenschaft zur Musik zu einem der wichtigsten Wegbereiter heimischer elektronischer und elektroakustischer Musik wurde.


Anmerkung:
Vielen Dank an Frau Inge Gottwald für die freundliche Bereitstellung des umfangreichen Informationsmaterials.

 
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