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Theremin



Andrej Smirnov
Berührungslose Musik

Das Theremin1 (auch Ätherophon oder Thereminvox genannt) ist nicht nur eines der ältesten elektronischen Musikinstrumente – und das erste, das im Handel angeboten wurde –, sondern auch das erste Musikinstrument, das man beim Spielen nicht einmal berührt. Zwar gab es anderswo ähnliche Signalgeneratoren, dafür war aber dieser Klangerzeuger das erste auf hochfrequenten Schwingkreisen basierende elektronische Musikinstrument, das großen Zuspruch gefunden hat.

Theremi: open casing, 1961Der Zeitpunkt seiner Erfindung lässt sich allerdings nicht genau bestimmen, da selbst Lew Termen diesbezüglich unpräzise Angaben machte. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde er erstmals auf eine neue Möglichkeit der Klangerzeugung aufmerksam, als er während des russischen Bürgerkriegs die Funkstation in Detskoje Selo (bei Petrograd) betreute. Nach Beendigung seines Militärdienstes wurde er an das Physikalisch-Technische Institut in Petrograd berufen, wo er ein Gerät zur Messung des elektrischen Widerstands von Gasen entwickelte. Da dieses Messgerät nach dem Überlagerungsprinzip arbeitete, konnten durch die Annäherung des menschlichen Körpers Klänge erzeugt und moduliert werden – das Theremin war geboren, und schon gab Termen mit seinem Gerät ein kleines Konzert, wie am nächsten Tag zu erfahren war. „Termen spielt Voltmeter“, witzelten seine Kollegen. Im Oktober 1921 spielte er vor einem faszinierten Lenin, der dafür sorgte, dass Termen seine Erfindung überall in der Sowjetunion vorstellen konnte, um die „Elektrifizierung“ des Landes zu propagieren.

Prof. Termen is playing the Theremin1926 erhielt Termen die Erlaubnis, sein Instrument auch im Ausland zu präsentieren. Die erste öffentliche Vorführung in Deutschland fand im Herbst 1927 im Rahmen der Internationalen Musikausstellung in Frankfurt statt, weitere Auftritte folgten u. a. in Berlin, Paris und London. Die Vorstellung in der Pariser Oper war innerhalb von drei Tagen ausverkauft, die Menge drängte aber trotzdem in das Gebäude, sodass die Polizei für Ordnung sorgen musste. Mochte das Theremin auch überall großes Aufsehen erregen, von den Komponisten wurde es zunächst weitgehend ignoriert.

Termen (der in den USA seinen Namen in Leon Theremin änderte) patentierte seine Erfindung in der Sowjetunion, in Deutschland und den USA, wo die Radio Corporation of America 1929 die Serienproduktion aufnahm. Wenn auch das RCA-Theremin, das unmittelbar nach dem Börsenkrach von 1929 auf den Markt kam, kein kommerzieller Erfolg wurde, zog es das Publikum weltweit in seinen Bann. Clara Rockmore entfachte auf ihren Tourneen durch die Vereinigten Staaten mit Interpretationen klassischer Werke wahre Begeisterungsstürme.

Da das Theremin immer wieder in Filmmusiken zum Einsatz kam – etwa bei Spellbound (Alfred Hitchcok, 1945), The Lost Weekend (Billy Wilder, 1945), The Day the Earth Stood Still (Robert Wise, 1951), Ed Wood (Tim Burton, 1994) oder Mars Attacks! (Tim Burton, 1996) –, wird es zumeist mit „außerirdischen“, surrealen und gespenstischen Klängen und Glissandi, Tremoli und Vibrati assoziiert. Zahlreiche Komponisten und Komponistinnen – wie Lidia Kavina, Olesia Rostovskaya, Olga Neuwirth, Elisabeth Schimana, Barbara Buchholz und Wilco Botermans – haben eigens für dieses Instrument komponiert oder neue Spielweisen und Interaktionsmöglichkeiten entwickelt, welche die klassischen Techniken radikal erweitern. Das Theremin fand auch Eingang in die Rock- und Popmusik und war in den 1950er Jahren auf deutschen Kabarettbühnen sehr populär.

Der Elektronik-Enthusiast Robert Moog baute seine ersten Theremins in den 1950er Jahren, als er noch auf der Highschool war. Er publizierte eine Reihe von Artikeln, in denen er sich mit der Funktionsweise des Instruments auseinandersetzte, und bot Bausätze an. Die so erworbenen Kenntnisse flossen in die Konzeption seines bahnbrechenden Synthesizers Minimoog ein. Wie er selbst behauptete, war das Theremin seine erste Liebe – und als er sich dieser widmete, erfand er den Synthesizer.

Fußnoten:


1 Vgl. Albert Glinsky, Theremin – Ether Music and Espionage, Urbana 2000.