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Magnetophon



Friedrich Engel
Eisenoxid γ-Fe2O3

Nachdem die magnetische Schallaufzeichnung bis in die 1920er Jahre kaum erfolgreiche Anwendungen gefunden hatte, brachte 1928 eine Innovation des bemerkenswert vielseitigen, in Salzburg gebürtigen Erfinders Fritz Pfleumer (1881–1945) frischen Wind in die stagnierende Entwicklung.1 Anstelle der bisherigen Stahldrähte und -bänder (schwer, teuer, schwierig zu reparieren) propagierte er ein Spezialpapier, das er mit feinstverteiltem Eisenpulver beschichtete.2 Dieses Magnetband war leicht, preiswert herstellbar und, wenn es riss, mit etwas Klebemittel reparabel. Pfleumer baute ein erstes „Tonbandgerät“, mit dem er Presse und Industrie von seinem Verfahren zu überzeugen hoffte. Nach vergeblichen Anläufen fand Pfleumer in Geheimrat Hermann Bücher, dem damaligen Chef der AEG, einen potenten Befürworter. Aufgrund eines im November 1932 geschlossenen Vertrags entwickelte AEG den mechanischen Teil des bald Magnetophon genannten Systems; für die Weiterentwicklung des Magnetbandes konnte sie das Werk Ludwigshafen des mächtigen Konzerns I. G. Farbenindustrie Aktiengesellschaft gewinnen. Hier entstand, mit Zelluloseazetat als Träger und Carbonyleisenpulver als magnetischem Trägermaterial, zwischen 1932 und 1934 das erste Magnetophonband.

AEG magnetophon K4: magnetic heads. 1938Der Öffentlichkeit wurden Gerät und Band 1935 mit großem Erfolg vorgestellt. Seines großen technischen Aufwandes wegen wurde es jedoch nicht als zunächst intendiertes „Volksgerät“, sondern als hochwertiges Diktiergerät für Industrie und Behörden vermarktet. Da also die Qualität des Systems kaum für Musikaufzeichnungen ausreichte, blieb der Erfolg relativ bescheiden; das änderte sich auch bei den Nachfolge-Serien nicht entscheidend. Die wichtigste Institution, die trotz seiner Mängel die Vorteile des Magnetophons erkannt hatte, war die Reichs-Rundfunk-Gesellschaft (RRG) Berlin. Nachdem sie Verbesserungen durchgesetzt hatte, orderte sie im Januar 1938 20 Magnetophone für stationären (Netzversorgung) und 20 für mobilen Betrieb (mit Batteriespeisung). Eine Variante, das netzgebundene Magnetophon K4, hatte AEG 1938 angekündigt und ab Frühjahr 1939 ausgeliefert. Trotz des hohen Preises (Laufwerk: RM 2930, Zusatzverstärker: RM 550, Lautsprecher: RM 80, dynamisches Mikrophon: RM 150) hatte man sofort mit Lieferproblemen zu kämpfen – verursacht von zahlreichen vorrangigen Bestellungen der deutschen Wehrmacht.

Die Musikwiedergabe-Qualität des K4 konnte sich im Großen und Ganzen mit der einer Industrieschallplatte messen. Daran hatte auch die dritte von I. G. Farben entwickelte Magnetbandrezeptur erheblichen Anteil, die ebenfalls 1938 in Produktion ging: Das magnetisierbare Eisenoxid γ-Fe2O3 im „Magnetophonband Typ C“ bekam erst um 1970 einen Konkurrenten (Chromdioxid, CrO2).

Magnetophon AEG K4: magnetic tapeDie Vorzüge des Magnetophons waren augenfällig: Seine Spielzeit übertraf die der Schallplatte bei Weitem, das Magnetband konnte man schneiden und montieren, es war preiswert, ließ sich löschen und neu bespielen, war außerdem weitgehend bruchsicher und leichter als ein Stapel Schallplatten gleicher Spielzeit. Und das Magnetophon K4 erlaubte erstmals das „Abhören hinter Band“. Es besaß wie seine Vorgänger drei „Magnetköpfe“: zur Aufzeichnung und die Wiedergabe der Schallsignale und zum Löschen des Bandes. Der Magnetophon-Konstrukteur Eduard Schüller fand einen Weg, um praktisch zeitgleich mit dem Aufzeichnen (Aufnahmekopf) das eben Aufgenommene wieder anzuhören (Wiedergabekopf). Diese „Hinterbandkontrolle“ erlaubte also, verzögerungsfrei die Aufzeichnungsqualität zu beurteilen – ein unschätzbarer Vorteil für alle Anwendungen. Damit war das K4 das erste vollwertige Magnetbandgerät. Der qualitative Durchbruch, der das Magnetophon für fünf Jahrzehnte zum fast uneingeschränkt bevorzugten Aufzeichnungsverfahren machte, gelang 1940 bei der RRG, als Walter Weber die „Hochfrequenzvormagnetisierung“ (wieder)entdeckte – das Magnetophon erreichte damit sprunghaft die bis dahin höchste Aufzeichnungsqualität.

Fußnoten:


1 Vgl. Friedrich Engel, Gerhard Kuper, Frank Bell, Zeitschichten – Magnetbandtechnik als Kulturträger, Potsdam 2008.

2 Als magnetisch aktiver „Lautschriftträger“, so seine Patente DE 500 900, FR 669.443, GB 333,154, NL 42 477 und CA 306,485.

 
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